Sonntag, 31. Juli 2011

Eine sich aufbauende Aura erahnen...

Es hatte sich schon tagsüber angekündigt. Der Himmel erdrückte das endlose Meer mit seinen Grau- und Blautönen förmlich. Doch die Stimmung hatte nicht gelitten.
Jetzt weckt mich ein schneidendes "Mann über Bord" aus meinem nervösen Schlaf im Gemeinschaftsraum. Wie in Trance klettere ich an Deck. Gedämpft nehme ich die Schreie wahr, die Panik die mich umgibt hüllt mich aber sonderbarerweise noch mehr in diesen Mantel der traurigen Abwesenheit. Nur am Rande nehme ich wahr wie Rettungsringe geworfen werden, den immer lauter und hysterischer werdenden Stimmen entnehme ich Misserfolg.
Trotz der Dunkelheit spürt man die gigantischen Wellen und den peitschenden Wind. Aber der Wind ist warm. Ich halte mich am Stiegengeländer fest und lasse mich zurückkippen. Die nassen Haare schlagen mir ins Gesicht und ich spüre Wärme.
Und als die Wellen weiterwachsen, kehrt wieder Ruhe ein.

Donnerstag, 28. Juli 2011

Brechreize bekämpfen...

II

Schon seit Jahren hat er keine Symptome mehr gezeigt, es hat ihn nie beschäftigt. Der Arzt früher mit seinen Durchhalteparolen aber irgendwie hat er in letzter Zeit eher lächelnd daran zurückgedacht.
Jetzt, in dem Hotelzimmer hier in Bogotà ist alles auf einmal wieder da.
Der Straßenlärm selbst für hiesige Verhältnisse diesen Abend viel zu laut, so viel Dreck in der Luft, dass das grellgrün leuchtende Notausgangsschild neben dem Balkon nur schwer zu erkennen ist. Die Hitze ist nur durch sein Fieber erträglich und dabei denkt er welch Ironie ihm da nicht gerade begegnet.
Die Verbindungstür zum Nebenzimmer lenkt dann auf einmal seine Aufmerksamkeit auf sich. Nicht die Tür, viel eher die Schnalle.
Daran sieht man, dass es hier doch einmal Geld gegeben hat, bis auf den Namen hatte man in diesem Hotel nicht viel davon gesehen.
Und jetzt diese Schnalle aus abgegriffenem gelblichen Elfenbein.
Die stupide drehende Bewegung des Ventilators an der Decke bringt ihn dazu sich zu übergeben, nachdem ausspucken macht er die Augen zu.
Er summt wieder diese Melodie.

Sonntag, 24. Juli 2011

Versuchen, Distanz zu gewinnen...

I

"Wenn eine Frucht austrocknet, wenn sie verletzt wird und ihre Haut Narben abbekommt, dann sammelt sie in ihrer Not all die Flüssigkeit und all das Leben um den Kern, tief drinnen ist sie dann ja viel --- ".

Hätte er es bloß geschafft diesen Gedanken bis zum Ende in Worte zu fassen. Er greift zum Glas und nimmt einen tiefen Schluck. Vermutlich aus Verlegenheit. Ihr freundlicher Blick, ihre fröhliche Art und doch diese Melancholie, die er immer wahrnimmt, bringen ihn aus dem Konzept. Er greift sich an die Schläfe und bemerkt dabei, dass seine Haare noch feucht sind und der Wind weht. Er stülpt sich die Kapuze über den Kopf und streckt mit den Armen sein eingeschlafenes linkes Bein.

"Irgendwie ergiebiger, aber das ist es noch nicht."

"Schöner." Sie sagt das eindringlich und trotzdem beiläufig, einfach so. Sie nimmt einen Zug von ihrer Zigarette und schaut auf die Straße, schon einen Gedanken weiter, wie ein Kind das von jeder Kleinigkeit abgelenkt wird.
Schöner also, denkt er und kurz, nur einen Sekundenbruchteil lang - das ist ihm wichtig festzuhalten, er ist ja ein Mann - muss er mit den Tränen ringen.

Montag, 4. Juli 2011

Nachlassen...

Wir sitzen am Badewannenrand. Die Hosenbeine hochgekrempelt. Den von Kalk gezeichneten Thermostat drehen wir auf und das heiße Wasser fällt kontinuierlich auf den Wannenboden. Als die fortschreitende Wasserfläche unsere Füße benetzen, zucken wir zusammen, ob der hohen Temperatur.
Nach vier Minuten und acht Zentimeter Wasserstand, schaukelt sich das zuströmende mit dem vorhandenen Wasser in irgendeiner Form der Resonanz derart auf, dass sogar unsere Gesichter was abbekommen. Nach acht Minuten und vierzehn Zentimeter stellt sich das konstante, sonore Rauschen an, das mit steigendem Wasserspiegel dann halt ein bisschen an Nachdruck verliert, aber nicht mehr die Charakteristik ändert.

Samstag, 2. Juli 2011

Sich selbst das Blut abschnüren...

Es ist vergleichbar wie wenn ein kleiner Felix hinfällt. Die erste Emotion ist eine gewisse Überraschung, ein Verdattertsein, völlig perplex. Die Reaktion der Mutter, die - und das weiß das Kind - zwar nicht unmittelbar mitfühlen kann, aber doch ein Hintergrundwissen hat, das der kleine Scheißer noch nicht hat, ist mitunter entscheidend.
Sorgt sich die Mutter nun übermäßig um ihn, dann merkt er es passt etwas nicht und weint. Wenn sie den Sturz aber kaum beachtet, schenkt auch der Felix dem kaum Bedeutung.
Wenn er dann aufsteht und der Fuß tatsächlich mehrfach kompliziert gebrochen ist, dann beginnt er ja eh noch früh genug zu weinen.